Eine Zugfahrt

Ich wache auf, früh und für die Göttergattin neben mir einfach zu früh.

Irgendwie komplett in die Decke eingerollt schläft sie noch den Schlaf der Gerechten, während ich mich leise rausschleiche.

Unten in der Küche angekommen versuche ich mir erst einmal einen Kaffee zu kochen. Našu kafu ( unseren Kaffee ) wie die beste aller Ehefrauen immer betont. Den Gasherd bekomme ich leider nicht zum laufen und bevor der Urlaub vorzeitig mit einer Gasexplosion endet stelle ich den Topf eben klassisch auf die analoge, weniger hippe Herdplatte und warte das das Wasser kocht.

Ach ist der Urlaub schön sinne ich, mit dem Kaffee in der Hand, so vor mir hin. Vergessen ist der überaus peinliche Auftritt von Gestern. Die werde ich sowieso nie wieder sehen. Vermutlich waren es Franzosen, die ich mit meiner offen, egalitären Erziehungsmethoden verschreckt habe. Was soll es, die Franzosen mögen die Deutschen ja eh nicht, jetzt wissen Sie wenigstens das wir nicht ganz so prüde sind wie Angela Merkel aussieht.

Heute wollen wir mit der nostalgischen Eisenbahn durch das Tara Gebirge fahren. Die nette zuvorkommende, aber für meine straff organisierten Zeitpläne etwas zu viel quatschende, Vermieterin wollte uns Karten für die Zugfahrt besorgen.

Aber bei soviel heißer Luft bleibt ja bekanntlich nicht viel über und aus den versprochenen Sitzkarten sind doch nur Stehkarten geworden. Egal, das Wetter ist schön und irgendwie werde ich mir meinen biologischen körperlichen Verfall einfach nicht anmerken lassen und eben stehend die Fahrt durch die Landschaft genießen.

Nach den üblichen Anlaufschwierigkeiten der weiblichen Mitgliedern der Zaric Travel Tour 2018, angefangen in welcher Reihenfolge die Hoheiten ihre Morgentoilette verrichten, der Suche nach dem passenden Outfit und einem Paar Füsslingen, geht es los.

Trotz offensichtlichen Unverständnis seitens der ansässigen Bevölkerung, schlage ich alle warnenden Hinweise aus dem Weg und begebe mich auf den selbigen zu Fuß Richtung Tal. Nicht serbisch mit dem Auto von Tür zur Bahnstation, oder so wie der Onkel meiner Frau (Gott hab ihn selig) eben auch landestypisch mit dem Kleinwagen direkt zum Grabstein seiner Frau vorfuhr, nein voll 80er Jahre unter dem Motto Atomkraft nein Danke gehen wir zu Fuß.

Teilreisegruppe 1 ( Emma, Luisa und ich ) gefolgt mit rund 50m Abstand und vermutlich 2min Zeitdifferenz startet nun Gruppe 2 ( die beste aller Ehefrauen und Carlotta )

Es geht bergab einen kleinen unauffälligen Kiesweg vorbei an Wiesen und Feldern.

Während Emma heute Morgen scheinbar Quasselwasser statt Sprudelwasser getrunken hat und mich in ihrer sehr unterhaltsamen Art an ihrem Leben und persönlichen Sichtweisen teilhaben lässt, schlendert Luisa in weitem Abstand hinter uns her.

Glücklicherweise begegnen wir niemandem, denn Luisa gibt ein sonderbares Bild von sich. In Ihrer linken Hand hält sie ihr Handy, den unteren Teil zum Mund gerichtete und redet permanent. Dabei blickt sie sich auch um, als ob sie mit jemanden spricht der für andere nicht sichtbar ist. Ich schlage vor das sie in der  Neuverfilmung von Ghost Whisperer die Hauptrolle übernehmen kann. Zunächst hatte ich sie in meiner Unkenntnis ungerechterweise beschuldigt sie würde mit ihren Freundinnen telefonieren und sich somit über meine Vorgabe hinweg zu setzen, außerhalb der free Wifi Zone dies zu nicht tun. Aber nein, Luisa bespricht ihr persönliches Travelbook. Man bin ich alt, da ich vorhabe meine Erfahrungen ganz oldschool niederzuschreiben, aber vielleicht mache ich dann doch auch mal einen Podcast.

Endlich treffen wir auf die Eisenbahnschienen. Von der zweiten Reisegruppe ist weit und breit nichts zu sehen. Vermutlich ist Schatzi doch irgendwie mit dem Auto gefahren. Verräterin denke ich nur, jetzt werden sie feixend vor uns am Bahnhof stehen und fragen was wir so lange gemacht haben.

Egal, jetzt geht es noch vorbei an dem Friedhof. Hier möchte ich dann später auch mal beerdigt werden. Ist dann nicht so langweilig direkt am Bahngleis und mit Aussicht auf Touristen 3x täglich.

Angekommen an der Bahnstation ist von der besten aller Ehefrauen weit und breit nichts zu sehen, dafür bereits Heerscharen an Touristen, u.a. arabische Großfamilien und einige Individual Touristen. Nett begegnet man mir nicht am Ticket Counter, nur widerwillig erhalte ich die Tickets, lag vielleicht an meinem nicht so gutem serbisch. Vermutlich habe ich statt der Höflichkeitsform irgendwelche Beleidigungen der Frau entgegengeschleudert.

Nun trifft auch Schatzi ein und übernimmt wieder kommentarlos die Führung der Reisegruppe, indem sie schamlos ihren Sprachvorteil einsetzt und mich dabei alt und inkompetent aussehen lässt.

Als eine der wenigen serbisch sprechenden mitreisenden Touristen, hat sie sich schnell in die Herzen der meist männlichen Zugbegleiter geredet und kann damit auf die typische serbische Art und Weise besondere Stehplätze ergattern.

Da werden die anderen mit ihren Sitzkarten uns noch beneiden denke ich. Während ich mich noch in dem Modus der Vorfreude befinde wird dieses Gefühl jäh gestört, als diese „französische“ Familie plötzlich auf meinem Radar auftaucht. Mist, denke ich, was wollen die denn hier? Bevor ich mein Antlitz unter dem Cappy verbergen kann hat mich das fremde Familienoberhaupt entdeckt und begegnet meinem entsetzen Blick mit einer Mischung aus Mitleid und Schadenfreude. Toll, darauf war ich nicht vorbereitet, aber ich werde schon irgendwie darüber hinweg sehen.

Endlich geht es los und der Zug fährt aus dem Bahnhof. Ich winke in Gedanken noch meinen zukünftigen Grabnachbarn am Friedhof zu und fange an mich auf die Bedienung meiner GoPro zu konzentrieren, habe ich doch vor ein paar Reisevideos zu drehen.

Während zu meiner rechten eine Diskussion entfacht ist, ob Carlotta ihre Haare offen tragen darf, weil diese wiederrum den gefühlten Blick von Luisa nicht nur visuell beeinträchtigt, sondern scheinbar auch die Berührung dieser Haarspitzen wie die Tentakeln der Portugiesische Galeere zu unglaublichen körperlichen Schmerzen führt, hat zu meiner linken die Göttergattin die vollkommende Kontrolle über den von Ihr annektierten vorderen offenen Bereich des Wagons übernommen.

Wohlwollend werden nun Kinder in das Hoheitsgebiet nach Aufforderung hinein gelassen, während Emma die Aufgabe hat, niemanden auf das Filetstück, der fahrenden Aussichtsplattform, zu lassen.

So geht es nun vorbei an Bäumen und Bergen, durch Tunnel und Schluchten bis zu einem Bahnhof. Dort haben wir 30min Aufenthalt und die gesamten Zuginsassen strömen hinaus um die einzige Eisverkäuferin in den Wahnsinn zu treiben. Wir verlassen ebenfalls den Waggon und ich schaue mich eine wenig um, während die Prinzessinnen samt Königin das umliegende Gebiet inspizieren.

Kurz vor Ende der Pause machen wir noch schnell ein Gruppenbild, dann heißt es wie im Mallorca Liegenkrieg auch hier unseren Platz im Waggon zu verteidigen. Blöd nur das jetzt die „Franzosen“ da stehen. Egal rauf und drängeln, schließlich waren wir zu erst hier. Der Typ ist mir zwar körperlich überlegen mit seinen gefühlten 90kg Kampfgewicht und 190cm, wir sind aber mit 5 Personen klar in der Überzahl und meine Frau kann ihn auf serbisch beim Schaffner denunzieren.

Jetzt will er sich vermutlich noch bei mir beschweren, aber ich werde auf Ausländer und nix verstehen machen.

Überraschenderweise klingen seine Worte überhaupt nicht aggressiv als er mich auf englisch fragt : „Hey guys, where are come from ?„ Im Laufe der daraus entstandenen Konversation stellt sich heraus das der „Franzose“ ein in Kanada lebender Serbe namens Dragan ist der sich vier Wochen Urlaub genommen hat, um mit seiner Frau Marta und seinen zwei Kindern Nikolas und Tijana, eine Rundreise auf den Spuren seiner Vorfahren zu machen.

An der nächsten Bahnstation sind wir schon Freunde geworden und auf die typische serbische Art und Weise lädt er mich auf ein Jelen Pivo ein, das wir ganz stilecht mit in den Zug nehmen.

Hätte ich hier schon gewusst das Dragan weder Kyrillisch kann, noch Ahnung von befahrbaren Straßen hat, hätte ich die Einladung auf das Bier auf jeden Fall ausgeschlagen.

Fortsetzung folgt.....