letzte Nacht

Prolog

Gestern Abend teilte mir meine Dramaqueen und Pubertier Nummer eins mit, sie sei auf einer Party eingeladen. In dem Alter von 17 ist das nichts Außergewöhnliches und gehört doch dazu sich gesellschaftlich zu etablieren.

Die beste aller Ehefrauen war nun nicht so begeistert – war die Party Location doch irgendwo über den Berg und das erklärte Ziel der Prinzessin war es mit Freunden zu Fuss durch den Wald dahin zu gelangen.

Amused war ich auch nicht, doch dachte ich es wäre pädagogisch wertvoll meine Tochter diese Erfahrung machen zu lassen, zumal ich mich bisher immer auf sie verlassen konnte, zumindest soweit ich von ihr in Kenntnis gesetzt wurde.

Mit den Worten "wenn irgendetwas ist, DU kannst mich JEDERZEIT anrufen – ich hole Dich dann ab", entliess ich das Pubertier in den/das Abend(teuer).

Mit der Aussicht auf das nun relative niedrige Konfliktpotential zu Hause, das rechnerisch rund 60% niedriger war( Dramaqueen & Beautyqueen würden heute hier zu Hause nicht aufeinander treffen ), entschieden die beste aller Ehefrauen und ich es wäre an der Zeit etwas Lebensqualität nachzuholen und uns selber mal wieder in das Nachtleben zu stürzen.

So weit so gut !

Erster Akt

Altersgerecht waren wir wieder gegen Mitternacht zu Hause und während die Göttergattin noch das world wide web checkte, lies mich die Serie auf netflix sanft vor mich hin schlummern.

Plötzlich klingelte mein Telefon. Auf dem Display konnte ich den Namen einer Freundin von Luisa lesen. Ich entriegelte mein Smartphone und meldete mich mit einem kurzen : Hallo...

Statt dem erwarteten Klang einer weiblichen Stimme meldete sich eine sonore, etwas hölzern klingende, männliche Stimme die versuchte beruhigend auf mich zu wirken. "Guten Abend Herr Zaric, hier spricht ein Freund ihrer Tochter Luisa, ich rufe von dem Handy einer Freundin an", eröffnete der Fremde Anrufer den ersten Akt. Schlagartig war meine Müdigkeit verflogen und ich saß aufrecht im Bett. Ich konzentrierte mich nun auf das was mir der anonyme Anrufer mitzuteilen hatte. "Luisa geht es nicht so gut und ich wollte Sie fragen, ob Sie ihre Tochter abholen könnten ?" Mit einem Cocktail aus Adrenalin, geschüttelt und nicht gerührt und einem Anflug aus Panik wiederholte ich den Inhalt des Satzes eingebettet in eine Frage. "Was heißt es geht Luisa nicht gut?". So richtig wollte mir der fremde Anrufer nicht mitteilen, in welchem Zustand sich Luisa befände und worum es sich genau handeln würde. Also dachte ich, ich drehe den Spiess mal um und wir spielen Miami CSI und ich stelle hier mal die Fragen. "Ist Luisa betrunken ?"

"Hhmm... ja, ich glaube sie hat etwas zu viel getrunken und fühlt sich nicht so gut und wir dachten es ist besser Sie holen Sie ab!?" antwortete der unbekannte Anrufer.

Mittlerweile war die beste aller Ehefrauen durch die Kombination der Worte Alkohol, Luisa und abholen ebenfalls alarmiert. "Was ist den los?" Wollte sie wissen. Während ich nun meine Hose anzog und dem anonymen Anrufer gleichzeitig bat mir die Zieladresse per SMS zu schicken, erklärte ich der besten aller Ehefrauen was mein Kenntnisstand der Ermittlungen wären und das ich mich jetzt auf dem Weg zur Pubertier Übergabe befinden würde. " Ich habe es Dir doch gesagt...!" Waren die letzten Worte die ich vernahm bevor ich mich ins dunkle der Nacht verabschiedete und zum Auto ging. Auf dem Display meines Smartphones erschienen zwei Nachrichten kurz hintereinander. Als erstes am petersberg 21 und whatsapp sendet hier leider nicht.

Schöner Mist, ein betrunkenes Pubertier mitten im Wald im Funkloch-gibt es Dinge über die sich ein Vater am Wochenende um 0:32Uhr mehr freuen könnte?

Glücklicherweise ist mein Wagen mit einem excellenten, sprachgesteuertem Navigationssystem ausgestattet und bevor ich den friedlich vor sich hin schlummernden Leihkamp verliess, wusste mein Auto schon wo es lang ging. 

Nach knapp 20min erreichte ich die von Uschi (so nenne ich mein Navigationssystem )ermittelten Ziel Koordinaten. Allerdings war weit und breit nichts von einer Ansammlung von feierten Pubertieren zu erkennen. Und so wählte ich die Nummer, die mich über den momentanen Zustand meiner Tochter informiert hatte. Am anderen Ende meldete sich nun glücklicherweise die Besitzerin des Handys, die ich bat mir zu erklären wo denn genau die Party stattfindet. " Sie müssen noch ein Stück weiter fahren, das liegt oben im Wald " War der sehr umkonkrete aber freundliche Erklärungsversuch. Also fuhr ich weiter ins dunkle der Nacht. Plötzlich endete die asphaltierte Strasse und ein Waldweg erschien vor mir. Nun war ich ja bereits in Serbien über diverse Wald und Wiesenwege gefahren, hier in Deutschland wollte ich das nicht, zumindest nicht mit meinem Auto. Ich wählte noch eimal die Nummer von Leonie. " Wo muss ich hin ?" fragte ich. Leonie antwortete:" das ist relativ weit oben, ich sehe ihr Licht aber auch noch nicht- sie müssen noch weiter fahren." Nein mache ich nicht - antwortete mein Inneres Ich zu mir selbst." Leonie, könnt Ihr mir nicht ein Stück entgegen kommen, ich weiss nicht wo ich hin muss", antwortete ich stattdessen. Plötzlich war wieder die männliche Stimme am Telefon.

"Ok, wir organisieren eine Wagen und kommen Ihnen entgegen." Nach diesen Worten wurde die Verbindung unterbrochen und ich fuhr zurück zu der Stelle wo `Uschi´ der Meinung war "sie haben das Ziel erreicht". Mittlerweile war es 0:54Uhr und weit und breit war nichts zu sehen von einem betrunkenen Pubertier, der besten Freundin und dem unbekannten Anrufer. So langsam wurde ich nervös und wählte wieder die Nummer. " Wo seit Ihr denn ?" fragte ich etwas ungeduldig. Die männliche Stimme am Telefon antwortete :" wir sind jetzt an der Ecke Haller Straße/ Kaistraße. Wissen Sie wo Amshausen liegt ?" Nein weiss ich nicht, sonst wäre ich bereits am Ort der Übergabe, dachte ich. Ich gab die Koordinaten Uschi. Das Ziel lag auf der anderen Seite von Peter auf dem Berge. Fuck....!"ok, ich komme jetzt - dauert noch 20min bis ich dahin", stammelte ich ins Telefon und fuhr los. Nachdem ich die zulässige Geschwindigkeit mehrfach überschritten hatte und ein grasendes Reh verschreckt hatte fuhr ich auf der Haller Strasse. " in 500m haben Sie das Ziel erreicht", versuchte Uschi´mich zu beruhigen. Aber auch hier war nichts zu sehen. Verdammt...!, ich wählte wieder die Nummer. Am anderen Ende meldete sich Leonie. "wo seit Ihr denn...?" fuhr ich sie unwirsch an. Leonie versuchte ihr Bestes mir den Weg zu beschreiben, aber im Dunklen war das zwecklos. Ich bat sie nun mir ihren Standort via whatsapp zu schicken und hoffte das dies genauer und zielgerichteter wäre, als den verbalen und ungenauen Wegbeschreibungen weiter zu folgen. `Bing´- eine whatsapp meldete ihre Ankunft auf dem Display. Gott sei Dank - hier waren die Koordinaten. Allerdings hatte ich vergessen das ich im Dunklen und um diese Uhrzeit mich von einem Maulwurf nur von der Körperbehaarung unterscheide, aber absolut nichts mehr lesen kann. Panik machte sich breit und in meiner Verzweiflung drückte ich statt dem Leselicht im Auto den Mercedes Pannendienst. Während die Leitung aufgebaut wurde, entschied ich mich das vermutlich der in Indien sitzende Hotline Mitarbeiter für diese Art von Notfällen nicht geschult sei und brach die Verbindung ab. Sollte ich die Göttergattin bitten ins Auto zu steigen und mir bei der Suche zu helfen ? Auch diese Variante schloss ich aus. Bevor ich mich der ganzen Lächerlichkeit Preis geben würde, würde ich versuchen über irgendeine Funktion die whatsapp Nachricht in den Routenplaner zu kopieren. Ich weiss nicht wie und womit genau ich es geschafft hatte, aber in verschwommen Umrissen konnte ich die Wahlmöglichkeit Karten oder Google maps erkennen und drückte instinktiv das Letztere. Irgendwo, 500m von mir entfernt war Leonie, der Besitzer der unbekannten Stimme und hoffentlich auch Luisa. 

Als ich nach 3min den Wagen erreichte, wurde ich nur kurz mit dem Aufblinken der Warnblinkanlage begrüßt und der Fahrer des Polo fuhr plötzlich, ohne irgendeine Ankündigung, los. Also folgte ich dem Wagen auf dem Feldweg Richtung Wald und entfernte mich von den letzten sichtbaren menschlichen Behausungen. Dann stoppte der Wagen vor mir, irgendwo im nirgendwo. Was war jetzt schon wieder ? Wo sollte denn hier die Party sein und was hatte man mit Luisa gemacht? Eine erste Welle der Panik überkam mich. Vor mir stieg der unbekannte männliche Begleiter aus und ging zielstrebig auf meine Beifahrertür zu, um diese zu öffnen. In meiner Panik verschloss ich das Auto und ließ zunächst nur die Scheibe der Beifahrertür runter. Ein junger Mann, im Trainingsanzug, etwas blass im Gesicht, erklärte mir ruhig und sonor, man(n) wäre an der richtigen Abbiegung vorbei gefahren und ob es mir möglich sei dahin rückwärts zurück zu fahren. Er selber würde bis zur Abbiegung laufen. Ok-welche Möglichkeit hatte ich so nah vor dem erfolgreichen Abschluss meiner Mission? Also fuhr ich um 01:25Uhr auf einer einsamen, unbeleuchteten Strasse rückwärts einem unbekannten jungen Mann im Trainingsanzug hinterher. Der Polo folgte mir etwas langsamer in die gleiche Richtung. An der nächsten Kreuzung wartete der Unbekannte auf den Polo und stieg, als dieser ebenfalls in den Feldweg abbog, ein. Weiter ging die nächtliche abenteuerliche Fahrt durch den Wald. Ein letztes Mal wählte ich nun die Nummer der besten aller Ehefrauen, um mich zu verabschieden. Wußte ich doch nicht wo das hier alles enden würde und ob ich es lebend und unversehrt nach Hause mit oder ohne Pubertier schaffen würde. Vielleicht war Luisa Opfer einer Entführung geworden und man wollte eine der unzähligen Prada Handtaschen erpressen ? Oder noch schlimmer - Luisa ist Drahtzieherin dieser wilden Jagd durch den Wald, um sich an mir zu rächen! Ich überlegte, das Weihnachten dieses Jahr ausfällt Grund genug sei mich nachts durch die Pampa zu jagen. Schatzi meldete sich am Telefon." Ich weiss gar nicht wo ich hier lang fahre und wo es bitte hingeht." stiess ich in meiner Verzweiflung aus. Bevor die beste aller Ehefrauen mir Mut zusprechen konnte brach die Verbindung ab. Ich war in das durch die SMS angekündigte schwache Netz gefahren. Nun war ich auf mich alleine gestellt. Dann bog der Polo rechts ab und fuhr auf einer schmale Straße die zwischen zwei Maisfeldern auf einen einsamen schwach beleuchteten Hof führte. Hier endete die Verfolgungsfahrt! 

Zweiter Akt

Auf dem Hof angekommen stoppte der Polo und Leonie stieg aus. ich blickt mich um. Vor der Scheune stand ein Feuerkorb um den herum 3 Teenager saßen. Aus der Scheune hörte ich dumpfe Musik. Ich fragte den jungen Mann im Trainingsanzug wo Luisa sei? Er antwortete das wüsste er auch nicht, schließlich sei er jetzt eine Stunde nicht da gewesen und verschwand in der Scheune. Nach 3min erschien Luisa mit etwas zerzausten Haaren und verweintem make up - in etwas Abstand erschien auch wieder der Unbekannte mit Luisas Rucksack in der Hand.

"Was ist los?" fragte ich sie aufmunternd. Die drei Worte lösten einen nicht enden wollenden Schwall von Lippenbekenntnissen aus. Von`es tut mir so leid´über`das ist mir so peinlich´ bis hin `ich trinke nie wieder Alkohol´stiess es aus Luisa raus.

Ich half Luisa in das Auto zu steigen und lächelte den umstehenden Pubertieren tapfer zu. Noch einmal meldete sich Luisa " wo is mein Handy?" - das wirklich wichtigste sollte nicht hier an diesem Ort bleiben. Leonie reichte den Schlüssel zur Welt und ich schloss die Beifahrertür.

Die Fahrt nach Hause war unkomplizierter als der Hinweg. Luisa beteuerte während der Fahrt wie sehr ihr die Situation leid tun würde und das sie nie, wirklich nie wieder Alkohol trinken würde. Der aufmerksame Leser und mögliche Besitzer von Pubertieren weiss, das diese unter Alkohol Einfluss getätigte Aussagen werden am nächsten morgen aus dem Gedächtnis Protokoll der Täter gelöscht und man ( Pubertier ) erinnert sich auf der nächsten Party nicht mehr daran.

Epilog

Das dieser Ort nicht so einfach zu finden war lag nicht an google maps oder an der Unvollkommenheit von `Uschi´- nein nur an einem kleinen Wort. In der SMS stand am Petersberg - nur war der Ort wo sich meine Tochter befand der Petersberg (ohne am) Das eine liegt vor Peter auf dem Berge und das andere eben dahinter.

Zum Schluss möchte ich mich bei dem unbekannten jungen Mann im Trainingsanzug und der besten Freundin meiner Tochter bedanken. Für die Entscheidung und den Mut mich mitten in der Nacht anzurufen. Danke auch für die 60 minütigen Schnitzeljagd. Hat dann doch viel Spass gemacht. Und auch Dir liebe Luisa möchte ich danken für Dein Vertrauen in mich. Auch in Zukunft kannst Du mich jederzeit anrufen - ich hole Dich ab. Versprochen !