DansArt oder die Kunst Bewegungslegastheniker zum Tanzen zu bringen

Neulich habe ich eine Tanzaufführung meiner Tochter Carlotta besucht - übrigens der Einzige unserer Familie, weil Harleyqueen es mal wieder verschlafen hatte uns - bzw. meine Göttergattin rechtzeitig darüber zu informieren.

Nun gut, hatte auch etwas für sich, da Dramaqueen und Beautyqueen sich für das Schwimmbad entschieden hatten. Das ist gleich bedeutend mit 100% weniger Drama und Zickenkrieg! Und die Göttergattin wiederum hatte sich mit Ihren Freundinnen zum Minigolf per Drahtesel verabschiedet. Nicht das nun der verehrte Leser dieser Kolumne denken könnte Schatzi wäre in die Jahre gekommen - nein es ist das überaus entzückende Geschenk der lieben Nachbarschaft an meine Frau.

Ohne Eintritts Karte aber mit viel Zuversicht bin ich dann mit Lotti, der besten Ihrer Art losgefahren.

Etwas komisch ist das schon, zahle ich nicht nur monatlich an diesen Verein, nein nun verlangt man auch noch 10€ damit ich mir die erlernten oder nicht gelernten Bewegungsabläufe meiner Tochter und die vieler ander Bewegungslegastheniker ansehen darf.

Schon an der sogenannten "Abendkasse" passieren gar wunderliche Dinge. Vor mir steht ein Mann, offensichtlich mit Migration Hintergrund in Kleidung und durch Akzent in der Sprache ersichtlich, möchte noch für sich und sein Sohn ein Ticket erwerben.

Die Herrin der Abendkasse schaut bemüht in den Umschlägen nach und findet ein freies Plätzchen. Das Ticket noch in den Händen haltend, wird sie nicht müde dem  Mann laut und deutlich vor mir zu erklären das sie nur noch wenige Plätze zur Verfügung hat. Dieser Platz wäre zwar nicht so gut zum sehen, dafür hätte er aber noch eine der begehrten Eintrittskarten. Der Mann nimmt dankbar das Ticket entgegen und meine Hoffnung auf einen guten Platz schwindet mit dem Mann vor meinen Augen. Ich bin an der Reihe. Ich stelle die gleiche Frage nach einem Ticket, Akzentfrei. Die Augen der Kassieren blitzen, ich bin mir nicht sicher ob es wegen meinem stets gepflegten Äußern ist, oder weil ich fehlerfrei meinen Wunsch zum Ausdruck gebracht habe. Sie reicht mir geheimnisvoll ein Ticket mit den Worten :" da haben Sie aber noch mal Glück gehabt, das ist ein super Platz!"

Ich stelle mir die Frage ob ich den "besten Platz" auch bekommen hätte wenn die Frau hinter der Kasse gewusst hätte, das ich in eine Gastarbeiter Familie geheiratet habe und das meine Schwiegereltern nicht Akzentfrei Deutsch sprechen.

Dies wird nicht der einzige Moment der zwei Klassen Gesellschaft heute Abend bleiben. Ich betrete nun den Saal in dem bereits schon viele engagierte Eltern und aufgeregte Großeltern Platz genommen haben. Obwohl es noch 15min bis zum öffnen des Vorhangs dauern wird, sitzen sie alle mit ihren Smartphone in der Hand bewaffnet da und haben letzteres bereits entriegelt. Sie warten auf den einen großen Höhepunkt, wenn das eigene Fleisch und Blut sich auf der Bühne präsentiert.

Der Vorhang öffnet sich, die Show beginnt. Erwartungsgemäß ist alles auf der Bühne was monatlich zahlt. Egal ob gekonnt, oder nur angetäuscht, bewegen sich die kleinen Körper mal mehr mal weniger rhythmisch zur Musik. Hinter dem Vorhang an der Seite steht noch eine weitere Tanzpädagogin die der hoffungslos verstrahlten Mehrheit der Bewegungslegastheniker vortanzt - ist ja auch so schwer sich die Choreografie zu merken. Ist die Anzahl der Bewegungsabläufe ja höher als ein vierstelliger Pin zum entriegeln eines Smartphones.

Während sich auf der Bühne Dramen abspielen, ist der ausgeprägte Egoismus der angereisten Verwandtschaft offensichtlich und unverträglich. Neben mir die Mutter mit der dicken Oma, quatschen die ganze Zeit, während andere Kinder sich mehr recht als schlecht da vorne im halbdunkel abmühen. Bis die eigene Brut auf der Bildfläche erscheint und sich der Lächerlichkeit Preis gibt. Hier fordert man nun absolute Stille auch von den umliegend Sitzreihen, damit man (Frau) mit einem Iphone 5 ein verwackeltes, viel zu dunkles Video macht, das sich später niemand ansehen wird.

Neben der Kassiererin haben aber auch die Choreografen so ihre Vorurteile. Wer in der ersten Reihe in der Mitte tanzt ist klassisch gesehen hübsch, hübscher als die in der Reihe dahinter. Da zählt nicht die Leistung, da zahlt wohl Papa den Centerstage. Obwohl oft in ihren Darbietungen und Ausführungen zweitklassig stehen diese subventionierten Talente feist da, wo die weniger reichen, aber in ihren Bewegungsabläufen angenehm zu betrachtenden Schattenwesen, hingehören.

Die eigentliche Höhepunkt der Diskriminierung findet allerdings nicht beim HipHop statt - den haben ja eh Ausländer mit anderer Hautfarbe Salonfähig gemacht. Es ist das klassische, konservative Ballett. Während beim kläglichen Versuch, Schwanensee mit untalentierten blonden, hellhäutigen Püppchen zu interpretieren, ist Scheherazade der Pool in den man alle dunkelhäutigen, dunkelhaarige Mädchen gesteckt hat, natürlich auch die Tochter des Mannes, der vor mir das Ticket gekauft hat. Ein schwacher Trost - auch die können es nicht besser, dafür ein Hoch auf die eine Gesellschaft mit ihren Vorurteilen.

In dieser Provinz wird dann schließlich jeder Tanzlehrer zum Maurice Bejart und verwechselt die 30m2 mit der ganz großen Showbühne. Warum um Gottes Willen schmeißen sich die Tanzwütigen immer wieder auf den Boden, wenn man schon ab der 2. Sitzreihe nix sehen kann, was unterhalb der Hüfte stattfindet?

Am Ende sind vermutlich trotzdem alle glücklich. Die die ihren Auftritt hinter sich gebracht haben, die Eltern und Großeltern die unglaublich stolz sind und sicherlich auch die Tanzlehrer und Choreografen, das sie soviel Elend nicht jeden Tag sehen müssen.