Restoran Nostalgija eine Fahrradtour in das Herz Serbiens

Heute haben wir uns Fahrräder geliehen, in einem coolen Hinterhof, von coolen Typen, nur die Fahrräder waren leider nicht cool. Zwei kobalt blaue Damenräder aus den 90ern mit Rücktritt. In Deutschland hatte man diese beiden Prachtstücke vermutlich aufgrund ästhetischer und sicherheitstechnischer Bedenken aus dem Verkehr gezogen. Egal, kosten diese nur 6€ den ganzen Tag. Den Hinweis das man nur auf ausdrücklichen Wunsch einen Helm bekäme, nehme ich dankend zur Kenntnis - möchte ich doch nicht noch wie Oma Renate und Opa Klaus aussehen wenn ich mit meinen 50+ einem Damenrad und uncoolen Helm durch das moderne Belgrad fahre. Wir bekommen noch ein Zahlenschloss, mit der super; super geheim Nummer 9631 und man entlässt uns in unser Abenteuer.


Zunächst müssen wir die Fahrräder noch ein Stück über eine Grünfläche schieben, dann sind wir auf der Promenade der Belgrade on the Waterfront angekommen. Es gibt tatsächlich einen Fahrradweg, was mich verwundert. Nach wenigen Minuten unterbreche ich aber unsere Tour, da mein geübtes Auge eine ziemlich hippe Location für ein paar Selfies entdeckt hat. Ich bitte die beste aller Ehefrauen ihr ungeübtes Auge zu nehmen um mich im besten Licht erstrahlen zu lassen. Nach anfänglichen Missverständnissen wo denn bitte die Mitte des Bildes sei und wie man mit einem extremen Winkel meinem Blog noch das gewisse Extra geben kann, liegt die Trefferquote der von mir freigegebenen Fotos bei 1:15. So posiere ich mal sitzend, stehend schreitend und gebe Schatzi dabei noch ein paar Anweisungen wie sie meinen Foto Ansprüchen noch ein wenig näher kommen kann. So kniet und liegt die beste aller Ehefrauen auf der Promenade und gibt ihr Bestes. Zwischenzeitlich überprüfe ich immer wieder den outcome und lasse einige Bilder noch einmal nachschießen. Vermutlich ist es besser wenn ich das nächste Mal einen Fotografen anheuere, das kostet dann zwar ein paar Dollar, dafür bleibt aber die Stimmung zwischen der besten aller Ehefrauen und mir ungetrübt.

Nach rund 20min und unzähligem virtuellen Sondermüll fahren wir weiter. Allerdings nur bis um die nächste Ecke, da ich schon wieder neue Hintergründe entdeckt habe. So langsam wird mir bewusst, das das Problem nicht hinter dem Iphone ist, sondern davor und mein in die Jahre gekommener Körper der mit all den perfekten und trainierten Körpern der jungen Konkurrenz und deren Hochglanz Bildern nicht mithalten kann. Aber das sage ich natürlich nicht Schatzi, ich hoffe, dass sie sich doch noch irgendwie mehr anstrengt.

 


Nach einer Pause, der Aufnahme von Flüssigkeiten und einem kurzen Check auf Instagram fahren wir weiter entlang der Promenade. Wir passieren die ein oder andere Baustelle und ich frage mich wann all das fertig sein wird. Nach 30min entdecken wir die ersten Restaurantboote, doch meine Wahl fällt auf ein etwas in die Jahre gekommenes Restaurant am Flussufer mit dem romantischen Namen Nostalgjia. Während ich nach dem perfekten Platz suche macht sich Schatzi am Fahrradschloss zu schaffen. Man ( Frau ) kann ja hier niemanden trauen und obwohl die Fahrräder direkt vor uns stehen, befürchtet die beste aller Ehefrauen irgendeiner würde diese Blechesel stehlen. Ich vermute das diese beiden Schätzchen höchstens eine Oma von 70+ reizen könnten und die würde ich beim klauen rückwärts laufend einholen.

Die Karte ist übersichtlich, aber das Preis Leistungsverhältnis ist unschlagbar. Ein Bier für 150Dinar was will man mehr. Ich will nur noch einen Rakija und Kobasice dann ist alles wieder gut und ich kann die unattraktiven Selfies aus meinen Gedanken streichen. Ach ja - ein Wifi hätte ich noch gerne, das gibt es hier auch und ich frage den Ober nach dem Passwort.

Mit einem freundlichen, allerdings auch einem fast zahnlosem Lächeln erfahre ich, das das Passwort Nostalgjia lautet. Wie sinnig, einfach und unkompliziert hier doch alles ist. Also tippe ich die Buchstaben in die Passwort Zeile meines Handys. Nur leider komme ich nicht rein. Während die beste aller Ehefrauen bereits fleißig postet, sitze ich noch vor dem verschlossenen Tor zur Social Media Welt. Scheinbar lässt sich das Passwort auch nicht teilen, behauptet Schatzi, oder ist sie etwa noch leicht verstimmt wegen meiner offenen Kritik an ihren Fotokünsten? Glücklicherweise ist sie das nicht und fragt nun den Kollegen von unserem bemühten, zahnlosen Kellner wie genau man das Passwort schreibt. "Ist es besser alles groß oder klein zu schreiben" möchte die beste aller Ehefrauen wissen. Die Antwort ist typisch serbisch : „Ach Mädchen, schreib wie Du willst, wenn das eine nicht geht dann probiere das andere, aber genau weiß ich das auch nicht.“ Eines muss man den Serben lassen, hilfsbereit und bemüht sind sie.


Das Essen kommt, eine Balkan Platte vom feinsten, dazu Salat und Ajvar - Schatzi hat sich nicht lumpen lassen. So sitzen wir eine ganze Zeit lang und genießen im Schatten die Sonne und während die beste aller Ehefrauen fleißig und ungebremst eine Reihe nach der anderen in ihren Feed postet kann ich wenigstens die Bilder bearbeiten die sie mir gnädiger Weise per airdrop zur Verfügung gestellt hat.

Morgen nehme ich dann doch wieder den Selfiestab und dann werde ich mich unabhängig von zweitklassigen Amateurfotografen selbst ins rechte und vorteilhaftere Licht setzen, aber jetzt genieße ich erst einmal diesen wundervollen Moment.