Einmal Jerusalem und zurück Teil 1

Was für eine Start in den Tag, es ist 06:15AM der Wecker dudelt von Adele „hello“ und das auch noch im Urlaub. Die beste aller Ehefrauen hat ihre "Tante" zu Besuch und so wie das mit dem Besuch von Verwandten ist - ist man (Frau) doch ziemlich genervt und gereizt und hofft der ungebetene Besuch möge alsbald wieder verschwinden.

Aber heute wollen wir nach Jerusalem. Die beste aller Ehefrauen verkündet in einem etwas herablassenden Ton und in ihrer spitzen, vorwurfsvollen Art, dass WIR wohl nicht in Jerusalem übernachten werden. Der Schuldige ist schnell gefunden - der mitfühlende Leser wird es schon erahnen - ICH! Ich weil ich angeblich „eh“ keine Lust hatte, in Jerusalem zu übernachten. Ok 850€ für eine Nacht finde ich schon etwas übertrieben. Und „alles“ den ganzen Tag mit sich rumzuschleppen findet Schatzi auch doof - ich bin dabei etwas verwundert, da ich ja grundsätzlich alles in meinem Rucksack für die 4 Grazien mitschleppe. Angefangen von einer Kleinbildkamera, die keiner nutzt, 1,5l Wasser aus Sorge möglicherweise zu dehydrieren, eine GoPro und natürlich Schlüssel, Pass, Kreditkarte und Geld. Das schwerste ist allerdings die „alleinige“ Verantwortung und Aufgabe für das ständige Unterhaltungsprogramm zu sorgen und die Planung jeden Tages zu übernehmen.

Ok - demutsvoll akzeptiere ich die Entscheidung - diskutieren im aktuellen Zustand hätte eh keinen Sinn und würde die Gesamtsituation nur verschlimmern. Also trage ich die Last ein Spielverderber zu sein, damit die beste aller Ehefrauen mit leichtem Gepäck und ihrer "Tante" reisen kann.

Um den werten Leser nicht zu langweilen gehen ich nicht noch mal an dieser Stelle auf die täglichen und mittlerweile doch recht nervenden Kleinkriege meiner Töchter untereinander ein. Das scheint wie der immer währende Konflikt zwischen den Juden und den Palästinensern zu sein und es geht auch hier um „Besitzansprüche“ und die Verteidigung von „Frei Räumen“ ohne Bereitschaft die eigenen Standpunkte zu ändern und ohne eine absehbare, für alle Beteiligten gerechte Lösung.

An der Bushaltestelle steht Schatzi demonstrativ weit weg von mir - sie will mir etwas damit sagen. Ich als Mann verstehe diese Art von subtilen Gesten nicht und warte einfach auf den Bus. Da wir nicht miteinander reden ist die Fahrt zum Zentralen Busbahnhof in Tel Aviv recht unauffällig und nachdem wir dort angekommen sind steigen wir schweigend in den Bus mit der Nummer 480 nach Jerusalem.

2,9 mal streitet sich der Deutsche im Urlaub im Schnitt, bis zu 30mal tun das Pubertiere am Tag. Unser Limit haben wir bereits gegen 08:00AM erreicht.

Endlich sind wir in Jerusalem angekommen und steigen an der Endstation im Inneren eines Shopping Centers aus. Noch immer herrscht eisiges Schweigen zwischen den Parteien. Nun gut, jetzt heißt es ruhig bleiben und den geeigneten Moment abzuwarten. Erst einmal starte ich mit der Fütterung der Pubertiere, um so das Muttertier anzulocken. Dramaqueen fragt ob sie ein Sandwich hier beim Bäcker haben kann? Leicht gereizt fauche ich sie an sie solle gefälligst das nehmen was auch die anderen haben - immer diese „vegetarischen“ Extrawürste. Nachdem nun alle etwas im Magen haben geht es mit der Straßenbahn Richtung Altstadt. Langsam löst sich die Verstimmung. Gott (dem Bäcker) sei Dank.

Angekommen in der Altstadt erinnert vieles an Rhodos & Dubrovnik auf den ersten Blick - überall kleine Läden mit ausschließlich Männern als Verkäufern auf der Suche nach potentiellen Kunden, also Touristen wie wir. Als wir angesprochen werden, um uns durch die verwinkelten Gassen der Altstadt  zu führen, lehne ich ab. „Bitte?“ denke ich nur entrüstet. „Wir sind Deutsche“ und wissen immer wo es langgeht. Das dem nicht so ist werden wir später feststellen.

Wir starten motiviert und tummeln uns durch das Gewühl. Überall diese Marktschreier - irgendwie befremdlich. Da bevorzuge ich doch die Deutschen, im Besonderen die Ostwestfälischen Typen. Die kühle und reservierte bis gleichgültige Art der REWE Kassiererinnen bei uns um die Ecke. Die reden nicht unaufgefordert, sondern nur wenn man sie anspricht.

Nach ein paar Minuten haben wir die erste wichtige Weggabelung gefunden und tauchen ab in einen langen dunklen Gang - Es geht zur Holy Church von Jesus Christus. Vorbei an unzähligen Händlern die Kruzifixe, Schmuck oder Tücher anbieten (Die wichtige Bedeutung letzterem wird mir erst später klar). Es geht immer tiefer in das Zentrum der Altstadt hinein.

Plötzlich stehen wir vor der Holy Church - das ist schon ein bewegender Moment hier zu sein. Also los - es geht hinein und plötzlich wird mir ein taktischer Fehler bei dem Einzug/ Aufzug bewusst. Meine 3 Zuckerschnecken haben Shorts an, oder aus Sicht des Popen eben viel zu kurze Hotpants an. Und das am heiligsten Ort des Christentums. Nun gut, man scheint hier auf solche (unangemessenen) Fälle vorbereitet zu sein und die Mädels erhalten die bereits erwähnten Tücher, um ihre Beine zu bedecken. Später werde auch ich meine wohlgeformten und athletischen Beine vor dem Popen verhüllen müssen, was für eine Schande.

Als erstes kommen wir an einer auf dem Boden liegenden Marmorplatte vorbei, an der Pilger aus der ganzen Welt knien und das heilige Öl/Wasser Gemisch auf ihren Händen ehrfurchtsvoll verteilen - später wird die beste aller Ehefrauen angewidert und wenig ehrfürchtig ihre Hände mit einem Hygiene Feucht Tuch von dieser öligen Substanz unter den entsetzen Blicken der anderen Pilgern befreien.

Etwas weiter im Inneren der Kirche finden wir dann der Überlieferung nach das Grab Christi in einer kleinen Grabeskirche. Um in das Grab zu gelangen stellt man sich in einer Schlange an. Nach und nach verschwinden die Touristen in der Kammer. In der Kammer steht ein mürrisch dreinblickender, 195cm großer Pope. Er lässt die Touristen im 10Sekunden Takt das eigentliche Grab Christi betreten. Nach der abgelaufenen Zeit klopft er bestimmend mit der Hand an die Außenwand des Grabes und scheucht die vor Ehrfurcht erstarrten Pilger hinaus. Ich selber betrete die Kammer mit ein paar chinesischen oder zumindest asiatischen Gläubigen. Sobald wir das Grab betreten werfen sich die besagten auf auf den Boden auf ihre Knie und fangen an zu beten. Von soviel Ehrfurcht im wahrsten Sinne des Wortes mitgerissen gehe ich nun auch die Knie und weiß noch nicht einmal wohin ich starren muss. Bevor mein Verstand dies realisiert reißt mich der dumpfe Schlag der Hand des Popen aus meiner Andacht. Beseelt und euphorisch verlasse ich die Grabkammer und mit diesem Glücksgefühl scheint selbst der fiese Pope im dunklen zu lächeln - später wird mir bewusst das ich mir das allerdings nur ein gebildet habe.

Fortsetzung folgt ...