Einmal Jerusalem und zurück Teil 2

Wir kehren zurück auf die Christian Quarter Street und versuchen durch das Labyrinth der Altstadt den Weg zur Klagemauer zu finden.

Durch das Jahrzehnte lange Training als Beifahrers meines Vaters und dem lesen der ADAC Karten bin ich sicher wir finden den Weg auch ohne Guide. Also einfach rechts, dann am Ende der Straße wieder rechts und dann Richtung Osten. Auf der Karte hatte ich nur eine Kleinigkeit übersehen. Je weiter wir in das Labyrinth von Gängen gen Osten folgen, desto tiefer gelangen wir in den muslimeschen Teil der Stadt. Um uns herum sind die Frauen mit Kopftüchern bedeckt und tragen lange Gewänder und mitten drin meine 3 heißen Zuckerschnecken in ihren Hot Pants! Das war offensichtlich eine strategischer Fehler - nicht nur der Weg, sondern auch der etwas unbekümmerte Bekleidungsstil meiner Töchter. Jetzt bleibt nur noch die Flucht vor den Blicken der muslimeschen Männern - allerdings nicht nach vorne sondern eher zurück zum Startpunkt im christlichen Viertel.

Hier angekommen erwerben „wir“ dann 3 Harems- oder wie ich finde eher nach westlichen Empfinden „Schlafanzugs“-Hosen für unglaubliche 210ILS (49€). Und nachdem dann auch endlich unsere „Fashionista“ Harleyqueen einen für meine Designer Augen einigermaßen erträglichen Style gefunden hat, geht es zurück ins Getümmel. Mit diesen „Tarnanzügen“ oder Schutzanzügen wie ich sie nenne wagen wir uns durch das muslimische Viertel zur Klagemauer.

Nur durch einen Metall Detektor hindurch und wir können den Platz mit der Klagemauer betreten. Heute ist zum Glück nicht soviel los. Es sind wenige Touristen und wenige orthodoxe Juden da. Schatzi, obwohl heute mal Ausnahmsweise für ihre Verhältnisse züchtig bekleidet, bekommt einen sehr unvorteilhaften (Frisier-) Umhang. Es wird noch kurz abgeklärt ob wir Fotos, Selfies und Videos machen dürfen und es geht los zur Klagemauer.

Nachdem sich meine 4 Königinnen auf den Weg gemacht haben den "weiblichen" Teil der Klagemauer (women only) zu besuchen, entscheide ich mich nun auch die Klagemauer aus der Nähe zu betrachten. Statt einer Kippa reicht mein Cappy das ich aus dem Rucksack hole und aufziehe, um mich angemessen “zu bedecken“. Heute sind tatsächlich sehr wenig streng Gläubige an der Klagemauer. Langsam nähere ich mich diesem besonderen und irgendwie auch geheimnisvollen Ort. Wenn man(n) näher kommt sieht man in den Mauerritzen zusammen gefaltete kleine Zettel  - darauf stehen Gebete. Einmal im Monat werden diese jedoch entfernt und anonym „beerdigt“. Mittlerweile haben wir die ersten 2 to dos auf der Liste von Schatzi erledigt und es fehlt nurnoch to do Nummer 3 - der größte jüdische Friedhof. Und wenn alles gut läuft finden wir dann auch noch Schindlers Grab.

Bevor wir uns allerdings auf den Weg machen können hat Ms Beautyqueen gerade mal eben ihr Handy gesperrt. Die Frage warum und wie das passieren konnte ist vollkommen unangebracht und überflüssig. Das gehört zu den vielen unerklärlichen Phänomenen aus der Welt der Pubertiere. Was zunächst folgt ist geäußerte Panik und Verzweiflung der vollkommen überforderten Beautyqueen. Bei dem erfolglosen Versuch von Schatzi dies Rückgängig zu machen wandelt sich Panik in abgrundtiefen Hass und eine Flut von verbalen Verwünschungen, traktieren die beste aller Ehefrauen, hier am heiligsten Ort. In dieser scheinbar ausweglosen Situation in der sich unsere Beautyqueen befindet wendet sie sich an den letzten möglichen Retter und gleichzeitig ihren größten Konkurrenten und bitte so Harleyqueen unter Tränen und wolfsähnlichen Geheule um Hilfe. Doch leider versagt in dem Fall auch unser Technik Genie, was den umstehenden nicht deutsch sprechenden Touristen schnell klar wird, denn die nun folgenden wüsten Beschimpfungen sind international verständlich. Und das alles nur aus Sorge Ms Beautyqueen könnte heute Abend mit ihrem erwählten Prinzen nicht chatten.

Nach weiteren 10min hat Beautyqueen so langsam einen erträglichen Zustand erreicht. Es ist vermutlich die Hitze und die Erkenntnis das nichts an dem momentanen Zustand ihres Handys sich ändern wird. Während sich die letzten bemitleidenden Blicke von uns abgewandt haben können wir nun unauffällig Richtung Friedhof gehen. Um diesen allerdings erreichen zu können müssen wir zunächst zurück zur Klagemauer und von dort verlassen wir die Altstadt. Nach 10min stehen wir auf der Strasse und blicken auf einen Hügel hinter der Altstadt mit tausenden von Gräbern. Unzählige, eins nach dem anderen, nebeneinander aufgereihte Gräber erstrecken sich bis zum Horizont. Mitten drin ein Überbleibsel der ägyptischen Kultur, ein kleiner Tempel, die waren wohl auch schon lange vor allen anderen hier.

Die Hitze macht mir echt zu schaffen und die beste aller Ehefrauen hat erbarmen und wir müssen "Gott sei Dank" hier nicht noch das Grab Schindlers suchen. Langsam schlendern wir zurück Richtung Old Town, vorbei an Schulklassen mit vor allem orthodoxen Juden die heute die Klagemauer besuchen. Auf dem Platz vor der Klagemauer geht es noch einmal zum Wasser auftanken. Zum Glück gibt es hier jede Menge Wasserspender. Zurück durch das Labyrinth von unzähligen Gassen und Läden arbeiten wir uns langsam aber zielsicher zum Jaffa Gate, unserm Ausgangsgate vor. Ich habe es doch gesagt, wir Deutschen finden "unseren Weg" und mit einem triumphierenden Lächeln und stolzer Brust passieren wir den Guide der uns eine überteuerte Tour andrehen wollte.

Wer nun glaubte das die beste aller Ehefrauen genügend Kultur und Abendteuer erlebt hätte täuscht sich, oder kennt Schatzi nicht. Schon beim passieren des Tores heute morgen war Schatzi das Museum zum David Tower aufgefallen und sie hatte uns angekündigt bzw. gedroht das wir uns dies gemeinsam ansehen werden. Bis zum Schluss hatte ich gehofft das sie dies vergessen würde - oder das sie zumindest Mitleid mit uns hätte.

Pustekuchen, wenn wir schon nicht das Grab von Schindler gefunden haben, dann zumindest müssen doch noch den David Tower besuchen. Also schleppen wir uns hinter ihr her. Weitere 135ILS ärmer und um unglaubliche viele Steine und Mauerreste im Blick reicher durchwandern wir die Ruinen. Irgendwie habe ich das alles so oder so ähnlich gesehen - aber ich verkneife mir diese Bemerkung um die Stimmung nicht zu vermiesen. Nach 60min und 6 verbalen Auseinandersetzungen von Beautyqueen zu Harleyqueen, Harleyqueen - Dramaqueen, Dramaqueen - Beautyqueen und das ganze wieder zurück und einem Bier um diesen Zustand zu ertragen hat Schatzi einsehen und wir dürfen zurück zur Central Station. Allerdings nicht ohne zu erwähnen das man (Schatzi) hätte noch soviel in Jerusalem besuchen können, wären wir doch 2 Tage hier geblieben. Ich sage besser nix dazu, um die Chance heute noch nach Tel Aviv zu kommen nicht zu gefährden.

Ende Teil 2