Die Revival Party

Wer so wie ich mitten in der gefühlten Blüte seines Lebens steht, den überkommt es das ein oder andere Mal nach Abwechslung aus dem „Wochenend Allerlei“ und man macht sich auf „tanzen“ zu gehen. Unsere Töchter sind schon so groß um TK Pizza, Backofen und Netflix in der richtigen Reihenfolge zu bedienen und da wir über ein funktionierendes WLAN Netz verfügen mangelt es der Brut in dieser Zeit auch nicht an sozialen Kontakten.

Und so entschieden die beste aller Ehefrauen und ich es wäre mal wieder an der Zeit offiziell eine Party zu besuchen.

Da man(n) in unserem Alter durchaus unter durch Midlife Krisen bedingte Stimmungsschwankungen leidet hatte ich die Tickets für die Revival Party erst kurz vorher online erstanden. Und nach einer angemessenen Erholungs- und Vorbereitungszeit machten wir uns auf den Weg den Ort mit dem vielversprechenden Tanzvergnügen auf 2 Ebenen mit unsere Anwesenheit erstrahlen zu lassen.

Der Eintritt sah sehr vielversprechend aus. Eine überdimensionale Disko Kugel hing über dem Eingang der Location, die sonst hunderte von Menschen ohne Geschmack anzieht, wenn es um billig Tapas und fast food Frühstück in Bahnhofshallen Ambiente geht.

Nachdem ich der freundlichen, aber doch sehr jungen Kassiererin - von meinem biologischen Standpunkt betrachtet - unsere QR Codes auf dem Handy zeigte, gewährte man uns den Eintritt, nicht ohne uns einen Gutschein in die Hand zu drücken für einen Begrüßungscocktail und einer Karte, auf der unser Verzehr in Euro dokumentiert werden sollte.

2 Meter weiter forderte uns eine weitere junge Frau im bauchfreien Outfit auf nun unsere gerade erst erhaltene Cocktail Gutscheine ihr zu geben im Austausch gegen zwei Gläser mit rotem Inhalt und Strohhalm Deko.

Die Gläser sahen aus wie alte, ausgewaschene  Marmeladen Gläser und der Inhalt hatte etwas von Discounter Sangria aus dem Tetra Pack.

Der Anblick der ersten im Sichtfeld erscheinenden Partygäste lies meine schlimmsten Befürchtungen wahr werden. Die Revial Party war eine getarnte Ü50 Party. Im Eingang standen einige grau melierte Herren mit schütterem Haar und mit Poloshirt und einer in dieser Altersstil Gruppe beliebte straight mit extra geradem Bein und 8cm zu lange geschnittenem Hosenbein, die Damen mit dem kurz geschnittenen Haar hatten Ringel Shirts in pfiffiger Kombination mit einer Jeansjacke und Capri Hose an.

In meinem Anflug von Panik schüttete ich mir den gesamten undefinierbaren Inhalt des Begrüßungscocktail hinein, in der Hoffnung das der Billigfusel meine Sehkraft sofort deutlich beeinträchtigen würde. Leider passierte das nicht und so floh ich mit der besten aller Ehefrauen auf die von Außen abgesperrte Terrasse. Auf dem Weg dorthin mussten wir an der „Jury“ vorbei. So nenne ich die Gruppe von meist weiblichen Mitgliedern, die sich gerne nebeneinander setzen um gemeinsam die vorbei gehenden Menschen zu beäugen und mit den lästernden Bemerkungen von ihren eigenem bemitleidenswerten Erscheinungsbild abzulenken. Nachdem wir die Jury hinter uns gelassen hatten betraten wir nun den Außenbereich. Im Dunklen ließ sich das biologische Haltbarkeitsdatum etwas schweren schätzen oder sollte der Billigfusel doch endlich wirken? Verstört und ziellos folgte ich der besten aller Ehefrauen durch die einzelnen herumstehenden Gruppen hindurch, ängstlich irgendwo ein bekanntes Gesicht zu erkennen. Zum Glück war niemand da - wie sonst hätte ich meine Anwesenheit auf dieser 50+ Party rechtfertigen sollen. Vielleicht als Milieu Studie für neue Blog Einträge. Ich müsste mal meinen Steuerberater fragen, ob ich nicht doch die Tickets wegen letzterem einreichen kann.

Da sich auch auf der von Bauzäunen abgesperrten Terrasse nichts Interessantes bot, suchten wir nun in der nähe der Tanzfläche nach Abwechslung und Zerstreuung.

Wir hatten Glück und fanden einen guten Platz, um von dort das gar lustige Treiben zu beobachten. Da waren sie nun die Tänzer der unterschiedlichen Generations- und Stil Richtungen. Ganz vorne dran die „Rumpfschüttler“. Jene Spezi von tanzwütigen die lediglich ihren Beinen gestatten sich mehr oder weniger im mechanischen Seitschritt rhythmisch zu den Bässen zu bewegen und dabei ihre Arme und andere Gliedmaßen teilnahmslos um ihren Körper schwingen zu lassen.

Eine zweite sehr beachtenswerte Tanzgruppe sind die „Zauberer“ wie ich sie nenne. Diese Menschen heben beim tanzen meist einen Arm und Formen ihre Hand mit ihrem Zeigefinger zu einer Art Taktstock um die Refrain Zeilen des Liedes der Masse vorzusingen. Bei den restlichen Textzeilen versagt das Langzeit Gedächtnis.

Tanzen können leider nur wenige wirklich gut. Auch die „Swinger“ nicht. Diese Spezi hebt und senkt ihren Körper bis zur Kniebeuge und dabei werden die Füße parallel im 90Grad Winkel auf der Tanzfläche wie Scheibenwischer hin und her geschoben. Nein schön ist das alles nicht. Die guten Tänzer sind selten geworden zumindest hier auf der Revival Party.

Höhepunkt war dann der Saxophone Spieler mit seinem Camp David Hemd und im dunklen Club mit Sonnenbrille auf der Nase. Passend zum Revival Motto war das Deckhaar blond gefärbt und der Popper Scheitel leicht gegelt.

In Ekstase des wilden Treibens zog er sich plötzlich einen Tisch in die Mitte der Tanzfläche um dann ganz „Spandau Ballet like“ schmachtend im Vollplayback einige Töne anzustimmen. So billig wie der Begrüßungscocktail so zweitklassig war dann auch das Unterhaltungsprogramm an diesem Abend.

Irgendwann ließ die Wirkung des Fusels nach und mit etwas klarem Verstand bat ich die beste aller Ehefrauen das bunte Treiben aus „ewig Jungen“, den glücklosen Mitgliedern der „Restetruhe“ die seit Jahren verzweifelt Mr. Right suchen und den meist männlichen Besuchern mit Immigrationshintergrund die hier hofften eine Aufenthaltsgenehmigung zu ergattern zu verlassen.

Als wir mit dem Moped nach Hause fuhren habe ich noch kurz gedacht, vielleicht sollte man nicht mehr weg gehen. Aber dann ganz schnell den Gedanken verworfen. Beim nächsten Mal wird’s bestimmt besser - hoffe ich zumindest.