Besuch bei den lieben Verwandten auf dem Lande

Teil 1 Eine Busfahrt die ist Lustig, eine Busfahrt die ist schön

Nach mehr als 18Jahren hat sich die beste aller Ehefrauen gedacht es wäre mal wieder Zeit die liebe Verwandtschaft in Serbien auf dem Lande zu besuchen. Bisher hatten wir uns erfolgreich mit jeder Menge fadenscheinigen Ausreden und engen Zeitfenstern gewehrt, aber diesmal fiel uns nichts mehr ein und so machten wir uns auf den Weg.

Wer in Serbien ohne Auto bis in die entlegensten Dörfer möchte fährt am besten Bus. Am alten Hauptbahnhof in Belgrad befindet sich dann auch der Busbahnhof. Wie zu den guten alten kommunistischen Zeiten gibt es viele Schalter an denen man sich anstellen kann, aber nicht alle haben kompetente und auskunftswillige Mitarbeiter. Wir gehen also als erstes zum Informationsschalter. An diesem erfahren wir, dass hier der Busbahnhof sei - mehr aber auch nicht. Wann die Busse fahren will man uns nicht verraten, dafür gäbe es ja schließlich einen Ticketschalter und man bittet uns freundlich, aber bestimmt unser Anliegen da noch einmal vorzutragen. Wir stellen uns ein weiteres Mal in einer Schlange an. Eine ältere Dame hat es wohl eilig und nutzt einen unaufmerksamen Moment der besten aller Ehefrauen aus und stellt sich feist vor uns an. Normalerweise lasse ich bewusst im Supermarkt niemanden vor der älter ist als ich. Aus dem einfachen Grund: die haben den ganzen Tag Zeit, auch wenn sie vermutlich statistisch gesehen vor mir sterben werden. Hier möchte ich aber, der Landessprache nicht mächtig, keine Diskussion starten und nehme die Situation so hin. Bei der Dame handelt es sich wohl um eine besonders dreiste Form der ergrauten Penetranz. Während der vor ihr stehende Mann noch versucht sein Ticket und Restgeld in seine hier landestypische Männerhandtasche zu verstauen, drängt sie sich schon an den Schalter von der Seite vor und stolpert dabei fast über den Koffer des anderen. Nach ca. 5min beendet die graue Elster die Diskussion und mit dem Ticket in der Hand verlässt sie den Schalter. Nun kann die beste aller Ehefrauen unser Anliegen der etwas griesgrämig dreinschauenden Busfahrkarten Fachverkäuferin vortragen. Die hat mit uns aus Deutschland kommenden Touristen wenig Geduld und weil sich Schatzi und ich uns immer noch nicht einigen können wann es heute, aber bitte nicht morgen, zurück gehen soll kaufen wir nur ein oneway Ticket. Wenigstens sitzen wir Status konform auf den Plätzen 1 und 2 im Bus. Wir haben noch etwas Zeit und so überrede ich die beste aller Ehefrauen noch in einem Landes typischen Cafe´ hier am Busbahnhof Platz zu nehmen. Vor dem Cafe´ war nichts mehr frei und so betreten wir den diesigen nach Zigarettenqualm riechenden Innenraum. Wie zu den guten alten Zeiten gibt es einen Raucher Bereich und einen Nichtraucher Bereich. Allerdings ist diese Abgrenzung nur formal, da die Räume nicht mal mit einer Tür voneinander getrennt werden können und außerdem ist die Glas Abtrennung nach oben offen. Mich stört das nicht und so nehmen wir hinten in der Ecke am Cola Automaten Platz. Die Tische sind mit blau weiss karierten Tischdecken eingedeckt und überall sitzen wartende Reisende mit Ihrem Gepäck herum. Sofort eilt ein bemühter etwas schwitzender Ober mit weißem Hemd auf uns zu. Ich formuliere im besten Schulserbisch das wir gerne zwei Kaffee hätten, das die leicht gesüßt sein sollen muss Schatzi ergänzen, das habe ich noch nicht gelernt. Der Kaffee kommt. Gierig und auf Koffein Entzug fange ich an den ersten Mokka zu trinken. Die beste aller Ehefrauen fühlt sich in dieser landestypischen Atmosphäre nicht richtig wohl und faselt etwas von Schilddrüse und das ihr schlecht sei. Ich höre ihr dabei nicht wirklich zu, verstehe aber das ich auch ihren Mokka trinken darf. 

Mit meiner deutschen Ungeduld und dem damit verbundenen Pünktlichkeitswahn dränge ich zum aufstehen. Es wird Zeit zum Bussteig zu gehen, zumindest möchte ich pünktlich dort erscheinen und Schatzi ist froh endlich wieder frische Luft zu atmen. Um auf den Bussteig zu gelangen muss man durch ein Drehkreuz hindurch das von zwei staatlichen Mitarbeitern der Busgesellschaften argwöhnisch kontrolliert wird. Wir haben beim Kauf zwei Münzen erhalten die werfen wir jetzt ein und passieren damit die Kontrollstelle. Auf dem Bussteig angekommen stelle ich fest das unser Bus noch nicht da ist. Also warten wir etwas abseits und ich kann das rege Treiben beobachten. Bus fahren ist hier in Serbien weiter verbreitet als mit dem Zug zu fahren, das habe ich ja bereits bei meiner letzten Reise feststellen können als man uns genau davor hat warnen wollen.

Unser Bus fährt endlich ein und wir stellen uns in der Reihe an. Eine Dame vor uns setzt sich einfach feist auf unsere Plätze 1 und 2 hinter den Busfahrer. Auf die berechtigte Frage der besten aller Ehefrauen an den Busfahrer gerichtet wo wir uns jetzt hinsetzen sollen, weist dieser uns auf die gegenüberliegenden Plätze rechts von ihm hin. Später wird die Dame feststellen, dass sie keine gute Wahl getroffen hat. Nun steigt eine Frau ganz in Rot ein, auch ihre Haare sind Feuerrot gefärbt und nimmt hinter der feisten Sitzplatzräuberin Platz. Zwei ziemlich alte Herren nehmen hinter uns Platz und so langsam füllt sich der Bus. Ab und zu steigt der Busfahrer aus um das ein oder andere größere Gepäckstück der Mitreisenden unten im Laderaum zu verstauen. Eine Dame mit rund 120kg Lebend Gewicht kämpft sich in den Bus. Und weil ihr bereits in Reihe 2 die Puste ausgeht fragt sie die rothaarige Belgraderin ob sie neben ihr Platz nehmen kann. Kann sie nicht! Die Frau in rot telefoniert gerade und hat keine Zeit für so etwas. Etwas unwirsch erklärt sie der Dicken das der Bus doch halb leer sei und sie solle sich woanders breit machen. Offensichtlich enttäuscht schleppt sich das lebende Fleischpaket weiter in den hinteren Bereich des Buses und verschwindet aus unserem Sichtfeld. Ich selber hätte vermutlich auch Angst gehabt wenn die Dicke neben mir Platz genommen hätte. Was passiert wohl wenn der Bus in eine scharfe Kurve fährt? Das will ich mir erst gar nicht ausmalen und bin froh das Schatzi stattdessen an meiner Seite zu haben. Den beiden älteren Herren vom Lande hat die unfreundliche Absage der rothaarigen Belgraderin gar nicht gefallen und sofort fangen sie an über sie herzuziehen. Das Verhalten sei typisch für Belgrader, die seien ja bekannter maßen hochnäsig. Ich denke nur eine Busfahrt die ist lustig, eine Busfahrt die ist schön.

Direkt auf Augenhöhe an der Stirnseite des Busses befinden sich zwei riesige, rote WIFI Aufkleber. Ich mache die beste aller Ehefrauen darauf aufmerksam. So ohne meine Facebook Freunde fühle ich mich schon sehr einsam auf langen Busfahrten. Ein bisschen Internet wäre doch jetzt ganz schön. Ich bin mir sicher, dass aufgrund meiner mangelnden Sprachkenntnisse, die Reise im Bus recht eintönig werden kann. Mutig wie immer fragt die beste aller Ehefrauen den staatlich geprüften Busfahrer nach dem WIFI Passwort. Es gibt kein Passwort-weil es auch kein WIFI gibt. Der Aufkleber ist nur so da, ohne WIFI. Offensichtlich hat man uns hier getäuscht und ich überleg kurz ob ich beim Auswärtigem Amt eine Beschwerde einreichen soll. Schatzi versucht mich zu beruhigen. Sie befürchtet wir werden des Busses verwiesen.

Der Bus fährt endlich los und wir verlassen den Busbahnhof Richtung Osten. Einmal hält der Bus noch in Belgrad und nimmt noch weitere Reisewillige auf. In einem unaufmerksamen Moment der arroganten, rothaarigen Belgraderin hat sich ein offensichtlich ziemlich verschwitzter, vermutlich aber auch streng riechender Bauarbeiter neben sie gesetzt. Etwas wiederwillig wendet sie sich von ihrem neuen Sitznachbar ab. Das befeuert nun die beiden Alten hinter uns. Die faseln etwas von die Strafe Gottes, oder so. Und das geschehe der Rothaarigen recht.  

Es geht weiter Richtung Osten aus der Stadt und es stellt sich heraus, dass die feiste Platzräuberin wie bereits erwähnt den offensichtlich schlechteren Platz sich ergattert hat. Sie sitzt auf der Sonnenseite und wir im etwas kühleren Schatten. Leider sind die Vorhänge nicht großzügig genug geschnitten und so ziehen die feiste Platzräuberin und die arrogante Rothaarige den Vorhang um die Wette um sich vor der prallen Sonne zu schützen. Ich denke in diesem Moment das die beiden Alten wohl Recht hatten, das in diesem tief religiösen Lande der liebe Gott direkt bestraft. Und während wir rechts seitig der Sonne die Fahrt genießen ziehen die beiden Frauen im Minutentakt am Vorhang.

Auf einmal steigt mir ein unangenehmer Geruch in die Nase. Es ist wohl Mundgeruch. Ich fahre mit Zunge über meine Zähne. Hhmm denke ich etwas pelzig sind heute Morgen meine Zähne schon. Ich puste vorsichtig in meine Hand und mache eine Geruchsprobe. Erleichtert stelle ich fest, dass ich es nicht bin. Soweit so gut, aber es riecht ja trotzdem übel. Ich schaue zu Schatzi rüber. Hat sie heute Morgen ihre Zähne geputzt? Macht sie ja eigentlich immer. Vorsichtshalber biete ich Ihr mein letztes Kaugummi an. Der Geruch lässt aber nicht nach und so langsam vermute ich das entweder die beiden Alten, die nicht aufhören über die Rothaarige herzuziehen die Quelle des Übels sind, oder der mit offenem Mund vor sich hin schnarchende Bauarbeiter diese ekligen Gase hier verbreitet.

Die beste aller Ehefrauen fragt mich ob ich das auch rieche. Ja und gleich wird mir schlecht antworte ich. In unserer Verzweiflung trage ich jetzt Deo unterhalb der Nase auf. So ähnlich wie bei CSI Miami wenn der Gerichtmediziner bei der Obduktion einer bereits stark verwesten Leiche sich vor dem bestialischen Gestank schützen möchte. Mein Deo ist offensichtlich nicht für derartige Vorfälle entwickelt worden und so bleibt eine leicht faulige Würze in der warmen Atemluft hängen. Während wir noch rund 50 Minuten Fahrt vor uns frage ich mich was ich falsch gemacht habe warum mich der liebe Gott damit bestraft.

Zum Glück hat jede Busfahrt ein Ende und auch diese nähert sich dem Selbigen. Wir erreichen Smederevo. Smederevo liegt rund 46 Kilometer von Belgrad entfernt und ist mit 110.000 Einwohnern eine der bedeutendsten Industriestädte Serbiens. Das größte Stahlwerk Serbiens die Zelezara hat dort ihren Sitz. Außerdem gibt es noch eine große Festungsanlage zu besichtigen. Mehr aber auch nicht! Am Busbahnhof steigen wir aus und das erste was wir machen ist frische Luft zu atmen. So langsam verfliegt der faule Geruch aus den Nasennebenhöhlen und das Gefühl sich übergeben zu müssen wechselt in den Modus der freudigen Erwartung was als nächstes passiert. Wir müssen nämlich weiter fahren nach Radinac. In diesem Dorf mit rund 5.000 Einwohnern hat mein Schwiegervater vor vielen Jahren ein Haus gebaut. Warum ist mir offen gesagt unerklärlich, aber was soll´s - hier wartet schon sehnsüchtig die liebe serbische Verwandtschaft und freut sich auf unseren Besuch. Ob ich mich freue weiß ich noch gar nicht. Von meinem letzten Besuch vor 18 Jahren habe ich keine positive Erinnerung. Es war einfach nur heiß und die Mücken haben bis zu 30mal in der Nacht gestochen. Um zu duschen hat mich die beste aller Ehefrauen dann alle 3 Tage entweder mit kochend heißem Wasser aus Töpfen vom Herd oder kaltem Wasser in der viel zu kleinen Badewanne übergossen. Das Beste allerdings war das alle immer mit mir sprechen wollten, allerdings nur Serbisch konnten. Ich wiederrum konnte KEIN Serbisch - macht nix haben die sich dann gedacht. Die haben dann einfach lauter gesprochen, in einer tiefen Überzeugung, das ich sie dann besser verstehe. Die letzten 7 Tage in diesem Kaff habe ich dann bei einem konstanten Pegel von 2,5 Promille verbracht. Das ist so zwischen Rauschstadium und Betäubungsstadium. Mein Serbisch habe allerding unter diesen Voraussetzungen nicht verbessern können - ich meine nur am Ende irgendwie alles besser verstanden zu haben.

Zurück ins Jetzt. Wir brauchen eine Rückfahrkarte nach Belgrad - heute auf jeden Fall geht es wieder zurück ist mein nicht verhandelbarer Standpunkt. Die beste aller Ehefrauen kauft also bei dem blondierten Überbleibsel des Kommunismus zwei Tickets für die Rückfahrt und erkundigt sich wie wir nun von hier nach Radinac kommen. Der Bus den wir hätten nehmen können ist gerade gefahren. Also laufen wir nun noch ein bisschen durch die Innenstadt zur nächsten Busstation. Dort angekommen erkundigt sich die beste aller Ehefrauen am Kiosk wann denn der Bus nach Radinac fährt. Heute ist die Antwort, wann genau kann man uns nicht sagen. Wir sollen einfach warten. Das machen wir und setzen uns an der Bushaltestelle hin. Mir ist langweilig und so hole ich den Fotoapparat raus und mache ein paar Aufnahmen von der alten kommunistischen Welt. Die Frau vom Kiosk ist verwirrt und fragt die beste aller Ehefrauen warum ich Fotos mache. Hier gäbe es nix zu fotografieren ausser Müll und Staub. Achselzuckend antwortet Schatzi ich wäre Deutscher und mir würde Serbien so gut gefallen. Das findet die Tante vom Kiosk zwar toll, meine Motiv Wahl versteht sie aber trotzdem nicht.

Ende von Teil 1